BarbE: Hallo, Micha! Erzähl uns doch mal bisschen etwas zu deinem Werdegang. Ich weiß, du hast u.a. ja Philosophie studiert…
MR: Ja… Ich bin 1999 von Berlin zum Studium nach Chemnitz gekommen. Hab mit Sport und Betriebswirtschaftslehre (BWL) begonnen, im Anschluss an das Grundstudium Psychologie und Philosophie bis 2006 studiert. Hinterher drei Jahre als Dozent und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl Sportpädagogik das Thema Sportpsychologie gearbeitet. Kindersport war ein großes Thema beim Aufbau der Chemnitzer Kindersportschule “KISS”. 2008/09 war dann die Seniorensportschule als Projekt mit drin, welche es immer noch in Zwickau gibt.
2006 gleichzeitig mit bestem Freund die “Sportmacher” gegründet. Dabei wollten wir eigentlich die Menschen in Unternehmen fitter machen mit Firmensport. Weil man uns schon 1999 gesagt hat, die Menschen werden immer älter. Damit die länger arbeiten können, brauchen sie Bewegung.
Wie überlegten, wie kommen wir an die Firmen ran und kamen so auf den Firmenlauf. Damit wollten wir Werbung für den Firmensport machen.Fanden dann aber das Event Business besser und haben Sportmacher mit Fokus auf Firmenläufe gegründet.
Da hab ich 2009 nur noch das Sportmacher-Ding gemacht und wir sind wieder nach Berlin gezogen. Also: in Chemnitz gegründet, in Berlin weitergeführt.
BarbE: Du hast die Beziehung zwischen Sport und AgeTech schon etwas eingeführt. Was ist für dich an dem Thema AgeTech interessant?
MR: Die Geschichte ist, dass ich durch Zufall im Hotel an der Oper beim Abendevent zur 3. Konferenz Mario kennenlernte. Nach Corona war unser Geschäft ohnehin massiv torpediert worden und ich dachte: was passiert denn nun mit Sportveranstaltungen? Werden die Läufer noch älter oder werden sie weniger? Was macht das dann mit meinem eigenen Business?
Gleichzeitig hatte meine Mama Krebs, musste gepflegt werden. Dabei habe ich persönlich festgestellt, wie sich der demografische Wandel auf unser Pflegesystem auswirkt, dass da gar nicht so viel Pflegekapazität ist.
So dass ich auch persönlich viel machen musste. Alles in allem hab ich dann Mario vorgeschlagen, euch als Eventmacher bei der 4. ATK zu unterstützen. So.
BarbE: Da hast du den Bogen geschlagen. Es gibt also viele Aufhänger, an die du gut andocken konntest, auch emotional.
Auf die kommende ATK zu sprechen zu kommen - ihr seid 2022 erst als Partner eingestiegen und jetzt hat es sich praktisch verkehrt, jetzt seid ihr Organisator und der Q-HUB als Premium-Partner. Wie ist da der aktuelle Stand, was kannst du über die Ausrichtung und Schwerpunkte sagen?
MR: Was ich anders machen werde ist, dass ich nach der Übernahme mit den “AgeTech-Pioneers” eine Über-Marke kreiiert habe. Im Gegensatz zu Mario, der weiterhin mit dabei ist, fehlt mir das Expertenwissen, ich bin da eher die “breite Öffentlichkeit”, die Fragen stellt.
Die AgeTech-Pioneers sollen neue Lösungen präsentieren. Ich möchte das ganzjährig kommunizieren, möchte, dass die Menschen nicht nur einmal im Jahr auf die Konferenz in Chemnitz schauen und kommen, sondern ganzes Jahr mit den Pioneers in Kontakt bleiben und eine Plattform bieten, weil ich einfach überzeugt bin von der gesellschaftlichen Relevanz. Ich glaube, - ähnlich wie bei Klimawandel und Ukrainekrise- uns geht die Zeit verloren…!
[...] Also, es ist theoretisch gleiches Kommunikationsproblem wie Coronakrise… Unser Gesundheitssystem basiert auf statistischen Daten und wenn jetzt auf einmal bei Zahl die Zahl der zu Pflegenden größer wird, bricht System zusammen. Darauf ist es nicht ausgerichtet.
Wir sind zu träge, um das zu beheben und die Pflege hat Riesen-Imageproblem! Alter ist negativ geframed. Wir wollen in unserer Gesellschaft immer alle jung sein, blenden dabei das Thema gerne Lebensende aus. Und ich finde, AgeTech ist als Name ist positiver besetzt, aber im Endeffekt heißt das bei mir demografischer Wandel und alle Probleme, die damit zu tun haben, sollen als AgeTech eine Lösung finden.
BarbE: Ja, man kann und muss dieses Thema sehr tief diskutieren, weil es etwas ist, was große Bevölkerungsteile betrifft, sowohl die Jungen und die Alten und weil es nichts ist, was in Statistiken verharren kann und auch nicht wird, wozu es ja ausreichend Prognosen gibt, die nicht besonders rosig aussehen. Es brennt der Gesellschaft schon jetzt sehr auf den Nägeln brennt und noch weiter “Fahrt” aufnehmen wird.
MR: Das Thema AgeTech wird in erster Linie mit Pflege in Verbindung gebracht. Aber die Menschen machen sich keine Gedanken, was das für Städte wie Chemnitz und die Infrastruktur bedeutet! Es soll ja jeder älter werden!
Wenn aber Anteil der Älteren zunimmt… was bedeutet das für Kultur, was bedeutet es für die City, wo bislang alles auf die werbeadäquate Gruppe von 14-49 Jährigen getimed ist. Was passiert aber, wenn die Hälfte 60 ist? Was passiert denn mit Wahlen? Sollten wir nicht überlegen, ob Kinder auch Wahlrecht bekommen, so dass Eltern drei Stimmen haben? Wird denn wirklich für die Zukunft abgestimmt oder eher konservativ? Was passiert in einer alternden Gesellschaft?
BarbE: Das schon macht die große Brisanz und Themenvielfalt klar, die im Thema “Altern” steckt. Eigentlich nur ein Faktor, der in der sozialen Breite enorm riesig ist und eben eine große Bandbreite an Lösungen erfordert, von der Politik bis zu ganz pragmatischen Fragen.
MR.: Genau! Das ist vielleicht der Unterschied, dass ich die ATK zu einer Plattform aufbauen möchte, wo über die Zukunft diskutiert wird, wo AgeTech-Pioniere auf der Bühne stehen und die Zuhörenden nicht nur aus der Tech-Branche kommen. Das sollen Politiker sein, Personaler, Unternehmenslenker, Menschen aus einer möglichst breiten Zielgruppe sollen sich Lösungsansätze anhören, um diese möglichst schnell umzusetzen.
Meine Hoffnung ist, dass Menschen inspiriert rausgehen und sagen: ich fang das jetzt an!
BarbE: Da hast du die nächste Frage schon beantwortet, planst du die Einbeziehung der Chemnitzer Bevölkerung? Die Bewusstmachung der Problematik in ihrer Bandbreite, wie wir es jetzt schon ausgeführt haben, ein Podium geben, um wachzurütteln und auch zu öffnen für Lösungen.
Ja, also, was auch nochmal anders ist: ich habe die Generation der Silver Ager aufgeteilt in drei Gruppen, weil die Spanne von drei Jahrzehnten einfach zu groß ist:
- 55+
- 65+
- 75+
Die 55 Jährigen haben andere Bedürfnisse als beispielsweise die 85 Jährigen. Die ersten sind noch voll im Arbeitsmarkt, dass diese eventuell bis 67 durchhalten, bei 65+ ist Einbeziehung ihrer Expertise für den Arbeitsmarkt wertvoll, aber unter welchen Bedingungen und viele - Stichwort “Altersarmut” - müssen auch noch etwas dazuverdienen… und Fachkräfte werden gebraucht. Mit 75+ bist du zunehmend beim Thema Pflege. Gesellschaftlich relevant ist auch Thema Vereinsamung ist bei Senioren…[...] Wie sich unsere Gesellschaft entwickelt hat, kann das auch früher schon passieren. Deshalb gehören auch Wohnkonzepte mit dazu.
Konferenz-Schwerpunkte 2023 sind deshalb Lebensraum und Arbeit.
Ich glaube, Arbeit ist gerade enorm relevant. Und die Lebensräume, das muss beginnen! Denn die Entwicklung braucht eine große Verlaufszeit, da reden wir über Quartiere, da reden wir über: wie muss eine Stadt eigentlich aussehen, altersgerecht?
BarbE: Das sind sehr spannende Themen. Was sollten Interessierte wissen, die sich für die 5. AgeTech-Konferenz anmelden wollen?
MR: Die 5. Konferenz findet am 19. Oktober 2023 wieder im Carlowitz-Center der Stadthalle Chemnitz mitten in der Chemnitzer Innenstadt statt. Never change a winning system!
(..) Und mir ist es auch wichtig, dass es weiter in Chemnitz stattfindet. Auch, wenn die Chemnitzer das gar nicht so gerne vermitteln wollen. Chemnitz steht in Sachen AgeTech im Mittelpunkt. Weil hier von der Konstellation alles zusammenkommt. Weil die Struktur so gut ist, mit der TU Chemnitz, mit den im Maschinenbau tätigen Firmen… Chemnitz hat die Power, hier eine Vorreiter-Rolle zu spielen. Hier sollen mehr Startups her.
BarbE: Chemnitz ist ja auch Kulturhauptstadt. Gibt es gemeinsame Andockstationen oder Ansatzpunkte?
MR: Ja, denn es wird etwas für Kinder und etwas für Alte kommen. Frage ist, wie kann Kultur zu alten Menschen kommen. 2025 ist ein da ein Riesen- Scheinwerfer drauf, da wäre es sehr schön, wenn wir da etwas mit AgeTech zeigen könnten.
BarbE: Das “Team Generation” bringt genau diese Zielgruppen zusammen und veranstaltet auch eine Konferenz. Es war essentiell, diese Altersgruppen zusammenzubringen. Die Alten einzubeziehen war überfällig, alles schrie regelrecht danach. Das Team ist jetzt formiert und am Arbeiten....
Auf jeden Fall recht herzlichen Dank für das Interview und gute Planung und Umsetzung dieser wichtigen Konferenz!
MR: Danke sehr ebenfalls!